Stop. Bevor hier jemand gleich wieder das Review schließt weil er denkt es handelt sich um ein Techno-Album, lest es euch doch erstmal ganz durch. (I’m lookin‘ at you Andi!)
Zugegeben finde ich den Namen auch nicht aussagekräftig genug gewählt, aber die 6 Jungs aus Castrop-Rauxel werden sich schon etwas dabei gedacht haben.
Electric Callboy verfolge ich erst seit Ende letzten Jahres, damals noch unter dem Namen Eskimo Callboy bekannt. Den Namen änderten sie erst vor wenigen Monaten aufgrund des kontrovers diskutierten Worts „Eskimo“. Für mich unverständlich, allerdings gab es wohl einige Festivalabsagen von anderen Bands, da sie nicht in einem Lineup mit der Eskimo-Band stehen wollten. Man entschied sich für Electric, damit der Bandname ähnlich klingt und da man sich Genretechnisch auch sekundär in diese Richtung entwickelte. Elektronische Elemente waren in den älteren Songs auch schon gut vertreten, allerdings brachte 2020 der neue Sänger Nico und die damit releaste EP MMXX erst richtig Schwung in die Sache. Die Band bewarb sich Ende 2021 zudem mit ihrem Song Pump it für den ESC, zu dem sie dann aufgrund von „nicht radiotauglicher Musik“ vom NDR zum Vorentscheid ausgeschlossen wurden. Das Ganze schlug ziemliche Wellen in der deutschen rock/metal Szene und ab dort bin dann letztendlich auch ich dem Hype verfallen – zurecht.
Was sind diese Callboys denn nun für eine Band? Kurz beschrieben: eine Metalcore-Band mit Elektro-Einfluss, im Fachjargon wird das ganze wohl als Trancecore bezeichnet.
Klingt als passt es nicht wirklich zusammen? Ich denke das ist genau der Punkt. In der Theorie klingt diese Genremischung skeptisch, in der Praxis funktioniert es (für mich) mehr als gut!
Was das ganze bei dieser Band noch umso sympathischer macht, ist das die Jungs sich nicht ernst nehmen. Sie machen sich mit lustigen Outfits und Tanzeinlagen sowohl in Musikvideos als auch auf der Bühne zum Depp, haben in vielen Songs einfach sehr lustige lyrics und leben einfach für das Ganze und das als Team.
Das Album hat zwar „nur“ 10 Songs (was aktuell wohl im Trend ist). Diese sind aber tatsächlich sehr breit gefächert. Fast alle Songs haben catchige Refrains, die Songs sind durchdacht und mit melodischen Lyrics von Nico bis screamigen Passagen von Kevin ist fast jeder Song perfekt aufgebaut.
Mit Pump it, We got the Moves oder Arrow of Love erhalten wir den “neuen” EC sound in voller Gänze. Mindreader und Parasite gehen stärker in Richtung Metalcore, ersterer war nochmal eine echte Überraschung – laut diversen Kommentaren nicht nur bei mir. Spaceman wurde zusammen mit Rapper FiNCH aufgenommen. Fuckboi ist ein Pop-Punk Track zusammen mit den Damen von Conquer Divide. Tekkno Train ist einfach.. Hört ihn euch selbst an und achtet etwas auf die Lyrics 😉
Shaky shaky sweaty sweaty
You make my spaghetti ready
Heat up the sauce it’s a dinner for one
Neon passt als einziger Track für mich nicht ganz auf die Platte, er hat etwas vom Linkin Park Stil der späteren Ära. Und dann bleibt da noch Hurrikan. Wie man den entsetzten Gesichtern der meisten Youtuber ansehen konnte, die auf diesen Song ihre Reaktion hochgeladen haben, fallen auch mir nicht so richtig die passenden Worte ein, um dieses „Kunstwerk“ zu beschreiben. Der Song startet als 100%iger Schlager Song (kein Witz) im Stil von Wendler und Co. Bis zum Breakdown, dann ist es ein 100%iger Metalcore Song. Vielleicht ist dieser Song ein Wink mit dem Zaunpfahl zum Thema Radiotauglichkeit, vielleicht wollten sie auch einfach nur aus der Reihe tanzen mit einem Track. In Verbindung mit dem Musikvideo ist es dann trotzdem ganz lustig.
Die Jungs haben sich im Sommer mit ihrer Musik auf jeden Fall eine Menge Fans dazuverdient. Sie haben auf vielen Festivals gespielt, auch auf denen sie Genre-technisch eigentlich nicht hingehören. Haben sich mit ihrer Musik in viele Bereiche entwickelt und hatten (sichtlich) auch ne Menge Spaß.
Mein Resümee: 11/10 Für mich eines, wenn nicht sogar das Album des Jahres. Und jetzt hört rein, schaut die dummen Musikvideos an und kauft euch die Platte!
Bildquelle: https://www.electriccallboy.com/wp-content/uploads/2022/04/electriccallboy-albumcover-3000x3000px-1200×1200.jpg